Das virtuelle Lichtspiel

Der Dachstock im Filmhaus Bern ist das Schaufenster des Lichtspiels. Es ist ein Ort des Entdeckens, Zusammentreffens und Kennenlernens. Wer einmal bei uns an der Sandrainstrasse 3 in Bern zu Besuch war, weiss, dass der Eindruck einer persönlichen Visite - nicht zuletzt durch die haptischen Erlebnisse oder den Geruch nach Projektorenöl und alten Filmen - nur schwer virtualisierbar ist. Wir wollen es aber dennoch nicht unversucht lassen, Euch das Lichtspielerlebnis auch zu Hause zu ermöglichen. Für alle, die schon mal bei uns waren und Erinnerungen wach werden lassen möchten, oder für diejenigen, die weit weg leben und dennoch mit uns sein möchten.

Der einfachste und, seit den Corona-Lockdowns übliche Weg, an einer virtuellen Lichtspiel-Vorführung teilzunehmen, ist per online-Streaming der Sonntagabend-Programme auf unserer Website. Das erste Streamingsignal verliess unser Haus am Sonntag, als der erste Corona-Lockdown ausgerufen wurde. Im Moment ziemlich überrascht, entschloss sich das Team rund um Lichtspiel-Leiter David Landolf kurzerhand, mit einfachen Mitteln eine Streaming-Infrastruktur einzurichten, um den Sonntagabend keinesfalls ausfallen zu lassen. Mit einer Kamera, einer Schnittstelle zum Computer und einer einfachen Software gelang es uns, den Lichtspielsonntag nahtlos im Wochenrhythmus in die Stuben zu bringen. 

Seither haben wir unsere Streaming-Infrastruktur ständig ausgebaut. Wir verstehen uns schon ein bisschen als Pioniere des Streamings, was uns viel Erfahrungen und Erlebnisse mit eingebracht hat. Dadurch konnten wir uns stetig verbessern und meistern inzwischen schon komplexe Anlässe mit Streaming in beide Richtungen: Sei es Filmgäste von weither zur Diskussion in den Kinosaal einzuladen, oder internationale Kongresse physisch im Saal mit Teilnehmer*innen von weit weg zu kombinieren. 

Natürlich hat der Sonntagabend-Stream etwas vom Pioniergeist verloren - und da das Publikum zum Glück wieder persönlich im Saal den Vorführungen beiwohnen kann, dürfen wir auch nicht den gesamten Publikumsbereich live übertragen. Aber dennoch kommt ein bisschen Lichtspiel-Athmosphäre auf, sobald die ersten analog projizierten Filmbilder auf der Leinwand aufleuchten.

Im Lichtspiel gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Seien es einzelne Objekte, die neu in die Sammlung kommen oder attraktiv inszeniert werden, oder Ausstellungsthemen, die sich abwechselnd erneuern, ablösen und somit kleine thematische Inseln im Museum entstehen lassen. 

Oft orientieren sich die Ausstellungsthemen an aktuellen Anlässen - wie zum Beispiel den Denkmaltagen oder dem 100 Jahr Jubiläum des 9.5mm-Filmformats. Kein Wunder also, sind Ausstellungen bei uns nur von vorübergehender Dauer. Wann immer möglich, versuchen wir sie deshalb jeweils zu dokumentieren. So entstand auch eine interaktive Führung durch die Ausstellung “Weiterbauen - Episoden der Kinoarchitektur”.

Der ebenfalls im Filmhaus wirkende ‘Spacial Designer’ Christophe Merkle wagte sich vor wenigen Jahren an ein gewagtes Experiment: Den Lichtspiel-Saal mittels Photoscan komplett in den virtuellen Raum zu holen - mitsamt all den kleinen Details, Geräten, Plakaten und Objekten. Kein leichtes Unterfangen!

Doch es ist ihm geglückt: Der Lichtspielsaal kann sowohl mittels VR-Brille als auch ganz einfach mit dem Webbrowser besucht werden. In den Mozilla Hubs liesse sich die Leinwand auf Wunsch bespielen - ein gemütlicher virtueller Treffpunkt also, um ein Meeting abzuhalten oder gemeinsam einen Film anzusehen. 

Was übrigens etwas verstaubt oder surreal wirkt, basiert auf der Vereinfachung der Bildinformationen. Damit das Modell überhaupt auf einem handelsüblichen Computer gerechnet werden kann, müssen die vielen kleinen Details reduziert werden. Die dabei entstandenen Artefakte liessen sich nur manuell mit sehr viel Arbeit korrigieren.

Vor ein paar Jahren setzten Student*innen der Webedu Multimedia Academy eine virtuelle Begehung des Lichtspiels mittels 360° Kameras um.