Vor vielen Jahrzehnten standen an Schweizer Bahnhöfen Kino-Automate, die für 20 Rappen einen Kurzfilm abspielten. Sie standen meist neben anderen Automaten und zogen vor allem die Neugier der Kinder an, weshalb unten eine Stufe und oben zwei Griffe befestigt waren, damit die kleinen Menschen besser in das Okular schauen konnten.
Auf den Zug warten
Der «Automaten-Stamm»
Im Bahnhof Bern gab es ab 1936 einen solchen Guckkasten, einer der beiden
ersten, die der Zürcher Walter Stamm aufstellen liess. Mit der Zeit betrieb der Mechaniker mit dem Übernamen «Automaten-Stamm» 27 Geräte in der ganzen Schweiz. Gezeigt wurden Stummfilme, die manchmal bis zu hundert Mal pro Tag durch den Automaten liefen. Im Schatten des geschäftigen Betriebs und der Passantenströme ermöglichte der Automat ein privates Kinoerlebnis, da nur jeweils eine Person gleichzeitig durch das Okular schauen konnte.
Charly, Disney oder Aktualitäten
Beliebt waren kurze Sketche von Charly Chaplin, Trickfilme von Walt Disney oder auch Dokumentarisches wie die «Jungbären im Bärengraben», ein Blick aufs Matterhorn oder Sportveranstaltungen. Da Walter Stamm die Automaten möglichst mit aktuellen Bildern bespielen wollte, schickte er die Kopien per Express an die Stationen, wo geschultes Bahnpersonal die Filmprogramme auswechselte. Auf diese Weise waren die Kino-Automaten auch eine Art Mini-Wochenschau.
Ein deutsches Fabrikat mit französischem Filmformat
Eine technische Sonderheit war, dass es sich im Automat verbauten Projektor um ein Fabrikat der Deutschen Firma Bauer handelte. Dennoch spielte das Gerät 9.5mm breite Filme ab - ein Format, welches 1922 von der Firma Pathé lanciert wurde und die Perforationslöcher in der Mitte, zwischen den Filmbildern, aufwies.
Wie der Automat ins Lichtspiel kam
In den 1970er Jahren war das Fernsehen bereits sehr verbreitet, und so nahm das Publikumsinteresse mit der Zeit ab. Stamm verkaufte seine Geräte 1977 an die Automatengesellschaft, mit der er einen Pachtvertrag abgeschlossen hatte. Diese nahm die 27 Geräte dann schrittweise aus dem Verkehr. Viele wurden wohl verschrottet, andere landeten bei privaten Sammlern. So kam auch das Lichtspiel zu seinem Exemplar, in das auch heute noch an der Sandrainstrasse geguckt werden kann.